Revue #12: Communities
Author: -
Publisher: Revue Magazine / Stiftung Nächste Gesellschaft
Language: German / English
Pages: 208
Size: 21.1 x 19.7 cm
Weight:
950 g
Binding: Softcover
ISBN: 978-3-9815508-1-8
Price:
€16.90
Product Description
Frühjahr s013
»There is no place on earth that’s free of questioning. You have to always be curious about every last detail that crosses your mind, that you know you don’t have an answer to«,
sagt REVUE Featured Artist Rachel Libeskind im gemeinsamen und sehr persönlichen Interview mit ihren Vater Daniel Libeskind. Wir sind neugierig. Und da die Fragen nicht weniger werden, stellen wir zunächst eine scheinbar einfache: Warum eigentlich Communities?
Ganz klar, in einem Stichwortverzeichnis der Next Society darf der Begriff nicht fehlen. Auf den ersten Blick haben wir es aber mit einem eher antiquierten Konzept zu tun: Die Idee der Wagenburg, die sich gegen den Unbill der Welt zusammenschließt, soziologischer Gegenentwurf zur Anonymität der modernen Gesellschaft. So verlockend die Polarisierung zwischen Kuscheln und Kälte auch sein mag, sie trifft längst nicht mehr das ganze faszinierende Phänomen.
Alles das, was wir heute unter dem Stichwort »Community« fassen (Enterprise 2.0, Online, Net, Cyber oder ECommunities), war noch nicht am Horizont zu sehen, als sich 1985 in San Francisco der Debattierclub »The Well«[1] gründete – die erste netzbasierte Internetcommunity. Knapp 28 Jahre später, in einer krisengeschüttelten, individualisierten, komplett vernetzten Welt, boomt die »Gemeinschaft«: Unternehmer suchen nach Community Managern, um das virtuelle Treiben erst in Gang und dann in den Griff zu bekommen. Facebook & Co sind Sammelorte einer Communitas, die gelernt hat, die Kosten von Nähe und Distanz miteinander aufzurechnen. Gangs und Tribes stiften Identitäten und organisieren sich zu sozialen Gebilden, die dank des »long tail« des Internets erstaunlichen Einfluss entwickeln. Mit dem Konzept der Gemeinschaft als vereinnahmende Trutzburg hat das alles kaum noch zu tun. Unsere Frage ist auf den zweiten Blick also gar keine so einfach zu beantwortende, trägt sie doch den Gegenstand als Frage selbst in sich. Unser Kolumnist Athanasios Karafillidis sagt:
»Communities sind Suchmaschinen einer Netzwerkgesellschaft, die solange nicht weiß was sie sucht, bis sie es gefunden hat.«
Wir haben uns also auf eine Suche ohne Wahrheitsanspruch begeben. (Heraus-)gefunden haben wir gerade deshalb so einiges:
Gemeinsames Schaffen ist nicht erst seit dem Boom der Co-Working-Spaces normal geworden und Erfindungen wie die 3D-Druck-Technologie stärken den Erfolg, so Wolfgang Wopperer. Auch die Euphorie des Community-Builders Alex Hillman, der uns von seinem Aufbau eines der ersten Co-Working Spaces weltweit in Philadelphia/USA berichtet, ist ansteckend. Der arabische Frühling hat die Macht der Gemeinschaft in verblüffendem Ausmaß gezeigt: Twitter und Facebook halfen die Diktatoren aus ihren Palästen zu fegen, aber dann scheiterte man an der uralten Frage, wie man einen Staat schafft.
In der grenzenlosen Freiheit des Netz-seins und ihrer Übertragung auf ein Außen gibt es also Grenzen. Aus der schönen neuen Welt der Open Sources gelangt man zu Markus Miessen: »Partizipation ist Krieg.« Dirk Baecker formuliert es im Managergespräch mit Thomas Sattelberger differenzierter, aber ähnlich klar: »Communities sind das Problem und nicht die Lösung.« Wo viele Gemeinschaften in Homogenität erstarren, wird Diversität zur wertvollen Ressource. Darin liegt eine der Chancen, die Communities so spannend machen: Die immer öfter versagende Ernährungsindustrie spürt den Atem der Food-Kooperationen im Nacken. Und dass man wie der Fotograf Malte Jäger ohne Geld um die Welt reisend selbst in Kirgisien über Plattformen wie couchsurfing.org neue Gemeinschaften findet, überrascht uns nicht: Wir sind nicht mehr alleine.
Deshalb wird zugleich der Wunsch nach Rückzug größer, so Kevin Kuhn. Nietzsche oder Transzendental-Schriftsteller Thoreau sehen das Moment des Austritts aus der Gesellschaft als Bedingung für ein reflektiertes Leben. Was aber, wenn man einfach aussteigt? Kann man die Gegenwart durch Trennung von selbiger erkennen? Und wie sieht es, noch spannender, mit der Zukunft aus?
»Where are we now?«
David Bowies Frage stellten wir inspirierenden Menschen in Berlin – von Käthe Kruse und Ben de Biel zu Jay Cousins – von den 80ern bis zu einem Ausblick auf die möglichen Zukünfte dieser Stadt, die nicht nur Heimat der REVUE ist, sondern auch ein Kaleidoskop an Möglichkeiten und Ankerplätzen für lebendige Communities. Herausgekommen ist:
»Gemeinschaft« hält zwischen Euphorie und Ernüchterung so einiges an Überraschungen bereit. Lassen auch Sie sich auf den folgenden Seiten überraschen – und erzählen Sie uns gerne, ob der Funke überspringt!
Jan Bathel und Bernhard Krusche